Ein Weg führt am See entlang. Ich bin 9 Jahre alt und kenne ihn gut, genau wie mein Pony. Es ist schon warm, obwohl es noch früh ist und die kleinen weichen Wolken am Himmel sehen aus, als hätte sie jemand auf ein hellblaues Stück Papier getupft. Die Vögel sind wach und singen begeistert vom Sommer, der gerade begonnen hat. Mein Pony Nessi schnaubt entspannt. Ihr schwarzes Fell glänzt im Sonnenlicht und ihre dichte Mähne wippt zum Takt ihrer vier Hufe fröhlich auf und ab. Meine Beine schaukeln sanft an ihrem Bauch hin und her. Weil ich eine kurze Hose anhabe und der Sattel selbstvergessen zuhause herumhängt, fühle ich Nessis Wärme kuschelwarm an meiner Haut. Sanft schaukeln wir im Schritt den kleinen Pfad am Wasser entlang, atmen die frische Morgenluft ein und denken beide an nicht viel. Dafür fühlen wir umso mehr. Ruhe, Geborgenheit, Vertrauen, Sicherheit.

Momente wie dieser, an die ich mich heute mit Ende 30 erinnere, sind für mich die allergrößten Schätze. Mein Pony Nessi hat mir unendlich viel beigebracht. Nicht nur, dass man auch bei Regen, Schnee und Eis zum ausmisten und füttern kommen muss. Das hat ganz sicher mein Verständnis von Verantwortung geprägt. Es ist so viel mehr als das. Wer ein Pony zum Freund möchte, muss selbst ein guter Freund sein. Dazu gehört das Einfühlen in ein anderes Lebewesen. Wie geht es dir heute? Brauchst du etwas? Worauf hast du Lust? Heute ist die Stelle am Bauch die, die gekrault werden soll? Hihi, du kraulst mich ja zurück! Aber bitte nicht mit den Zähnen! Ja, auch Grenzen für sich selbst zu setzen, lernt man.
Hinzu kommt, dass ein Pony nunmal kein Mensch ist. Also gibt es viel zu entdecken: was frisst ein Pferd? Was braucht es zum glücklich sein unbedingt und was nicht? Wie verhalte ich mich, damit mein vierbeiniger Freund mich gut versteht und auch Spaß an unserem Zusammensein hat?
Und überhaupt, das Entdecken: mit einem Pony die Welt erkunden ist ein großes Geschenk! Der Weg an unserem See entlang sah nie gleich aus. Mal saß dort eine Entenfamilie im Schilf, mal konnten wir ein Reh beobachten. Die Jahreszeitenwechsel habe ich immer auf dem Ponyrücken am meisten wahrgenommen. Wälder, Felder oder auch das Meer. Da meine Familie auch mit den Pferden verreist ist, konnte ich viele Orte vom Pony aus entdecken. Das war besser als jede Städtetour!
Auch meine innere Welt habe ich dank meines Ponys kennenlernen dürfen. War ich aufgebracht oder durcheinander, reagierte Nessi verunsichert. War man selbst überhaupt nicht mit sich „im Reinen“, hat sie einen sogar weggejagt. „Lass deine schlechte Laune woanders ab!“ Glücksmomente und generell große Gefühle teilte und teile ich auch heute noch besonders gern mit meinem Pony.
„Ich bekomme einen kleinen Bruder!“
„Ich bin jetzt ein Schulkind!“
„Der Tim liebt mich nicht mehr!“
„Mathe ist sooo schwer!“
„Ich habe das Abitur doch geschafft!“
„Ich muss jetzt los, wir sehen uns bestimmt ganz bald, wünsch mir Glück!“
„Ich kann nicht mehr!“
„Ich bin so glücklich!“
„Ich liebe dich so!“

Alle diese Worte habe ich in die treuen Ponyohren geflüstert. Dabei waren sie immer aufmerksam gespitzt und gleichzeitig lag in den Augen und den entspannten Bewegungen des Tieres die große Ruhe und Sicherheit, die ich in diesen aufwühlenden Momenten dringend brauchte. Ein Pony erdet ungemein.

Meine absolute Lieblingstätigkeit besteht darin, Kindern solche Momente zu ermöglichen. Jedes Kind hat seine eigenen Herausforderungen, jedes Pony besitzt Eigenschaften, die bei der Bewältigung helfen können. Beide gemeinsam aneinander wachsen zu sehen, bereitet mir unendlich viel Freude. Um die Gedanken, die diese sehr erfüllende Arbeit mit sich bringt, soll es in diesem Blog gehen. Mein 9 jähriges Ich winkt allen zu, die sich gern in diese kleine Welt begeben möchten. Ihr seid alle willkommen. Auf zum Pony, zum erleben und fühlen!


Eine Antwort zu „Ein Pony, ein Kind, viele Gedanken“

  1. Avatar von A WordPress Commenter

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